In den letzten Tagen habe ich ein kurzes E-Mail Interview mit Rainer Erler geführt, über den ich hier im Blog ja schon einiges geschrieben habe. Das möchte ich gerne hier wiedergeben.
SM: Ihre Science Thriller waren stilistisch bahnbrechend in ihrer Verschmelzung von Dokumentarstil und Spannung. Für mich wären da gerade „Die Delegation“ und die „Blaue Palais“-Reihe zu nennen. Was hat Sie damals auf die Idee gebracht, auf diese Art Filme zu drehen?
Erler: Die Zeit war reif, die Gelegenheit günstig, die Form bot sich als geeignet an und war neu. Und der Erfolg gab mir letzten Endes recht.
SM: Wie haben Sie bei ihren Produktionen den wissenschaftlich/ fachlichen Hintergrund geklärt? Woher kamen Ihre Szenarien?
Erler: Ich interessiere mich grundsätzlich für alles (außer für Fußball!!).Die Weiterentwicklung unserer Zivilisation läuft nur über wissenschaftlichen Fortschritt.
Ich habe mein spezielles Interessengebiet in die entsprechenden Szenarien eingebracht.
Dazu kam: Lernen!! Biochemie, Genetik, Laserstrahlen, Parapsychologie, Exo-Anthropologie, Astro-Physik, Astronomie, Raumfahrt usw. usw.
Wenn die Drehbücher fast komplett waren, habe ich Fachwissenschaftler mit eingebunden, wie zB. Prof. Dr.Dr. Hora (inzwischen Sydney, damals New York), Spezialist für Laser-Technologie. Wir kamen gemeinsam auf “Anti-Materie” als das geheime Ziel der Forschung in China in Folge 2 (DER VERRÄTER) im BLAUEN PALAIS.
SM: Heutige Produktionen zu Zukunftsthemen sind ja oft entweder reine Spielfilme, nicht selten effektversessen, oder reine Dokumentationen. Das zu anderen Themen eingeführte „Dokudrama“ hat selten die schlüssige Verbindung, die Ihre Filme auszeichnet. Wieso verwenden nicht mehr Filmleute ein „Dokuthriller“-Format?
Erler: Ich weiss es nicht! Jeder Kollege wählt die Form für seine Arbeit frei und unabhängig – solange ein Sender, ein Auftraggeber, ein Produzent in läßt.
Zur Zeit, so scheint mir, soll alles “gefällig” sein und “nett” – und hohe “Quote” bringen. Ich hatte damals nicht dieses Problem.
SM: Welche heutigen Produktionen im Zukunftsbereich gefallen Ihnen?
Erler: Ich lebe acht Monate im Jahr in West-Australien. Da ist das Fernsehprogramm äußerst begrenzt. Englische Produktionen gibt es. Aber “Dr. Who” gefällt mir nicht.
SM: Auffallend bis erschreckend ist ja, wie aktuell die Themen der Produktionen aus den 70ern noch sind. Die wichtigen Themen sind insgesamt kaum weniger geworden. Was wären denn die dringendsten Themen, die heute Science Thriller Produktionen wie Ihre erfordern würden?
Erler: Ich hatte damals eine Kristallkugel. Da erschien meistens das Wort “Habgier” als Schlüssel für gegenwärtige und zukünftige Entwicklungen…
Aber im Ernst: Von dieser Sekunde an spielt der Rest unseres Lebens in der Zukunft. Wenn man vorausschaut bleiben auch die Themen noch eine lange Zeit aktuell.
SM: Für neu einsteigende Filmemacher, die auf Ihren Pfaden wandeln wollen: Welche Vorgehensweise würden Sie empfehlen?
Erler: Schon vor Jahren haben ich den Studentinnen und Studenten meiner “Meisterklasse” an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen empfohlen: “Wenn Ihr später von diesem Beruf leben wollt, seid unterhaltsam, seid nett und unbekümmert, sucht Euch triviale Themen, seid unpolitisch und bitte nicht zu intelligent. Die Mehrheit der Zuschauer ist es auch nicht. Die Zeiten, wo man politische, kritische und wissenschaftlich engagierte Filme produzieren konnte, sind leider längst vorbei. Es zählt nur noch die Quote, der Massen-Erfolg. Schade!
SM: Manchmal habe ich bei Ihnen ein ähnliches Gefühl wie beim französischen Regisseur Jacques Tati. Er zeigte Fortschritt und Technik in seinen Filmen kritisch, war selbst aber bei der Filmproduktion fasziniert von Technologie und ein ausgesprochener Perfektionist. Auch Sie hat der technisch wissenschaftliche Fortschritt anscheinend angesprochen. Wo liegt bei Ihnen die Grenze zwischen Faszination und Kritik?
Erler: Ich liebte an Tati den intelligente SlapStick. Zwischen der Faszination in Richtung Zukunft und Kritik gibt es m.E. keine Grenze.
SM: Sie schreiben auch Zukunftserzählungen. Heute diskutieren viele über den Niedergang der Science Fiction, teilweise darüber, ob sie obsolet geworden ist. Erzählen Sie ein wenig über Ihre Geschichten und was Ihnen daran besonders wichtig ist.
Erler: Gerade erschien mein Buch “Bekenntnisse eines Voyeurs – Dreizehn lästerliche Geschichten” (im Verlag Komplett Media / bei Amazon etc.). Das sind auch Science Fiction Stories. In meinem Vorwort habe ich eine Warnung geschrieben: “Diese dreizehn Erzählungen werden Ihren Glauben an ein Höheres Prinzip zutiefst und nachhaltig verletzen und ihr moralisches Empfinden obendrein. Denn diese Geschichten sind (je nachdem) ebenso satirisch wie blasphemisch, bisweilen etwas pornografisch, zumindest obszön, manchmal empörend oder sogar provokant, aber auch romantisch, sentimental, liebenswert, letzten Endes jedoch, samt und sonders, unmoralisch und lästerlich!”
SM: Ihre Produktionen wie „Das blaue Palais“ waren stilprägend und hoch erfolgreich. Wenn in den USA ein Regisseur so eine Rolle spielt, wird er immer wieder präsentiert und es gibt eine Werkschau nach der anderen. Wieso musste ich im deutschen Fernsehen so viele Jahre warten, bis Ihre Klassiker mal wieder liefen?
Erler: Im Augenblick sind 16 oder sogar 18 meiner Filme auf DVD im Video-Handel erhältlich. Ich bin darüber sehr erstaunt und sogar glücklich. Besser kann ein “Altmeister” nicht gewürdigt werden. Für mein Gesamtwerk wurde ich im November letzten Jahres mit dem METROPOLIS-Preis ausgezeichnet, einige Jahre davor mit dem Deutschen Phantasie Preis und mit dem Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland durch den Bundespräsidenten.
Das genügt! Finde ich.
Alle meine Romane sind inzwischen auf e-Book erhältlich.
Es ist erfreulich, nicht vergessen zu werden und immer noch ein Publikum zu finden.
SM: Was macht Rainer Erler heute?
Erler: Ich vermarkte meine Werke der Vergangenheit – und das mit Erfolg. (siehe oben).
Ein Podcast zu diesem Interview mit einigen zusätzlich Infomationen findet sich auf Abenteuer Zukunft.